Fußstapfen
„Keine Sorge, mein Kind, eines Tages wirst du groß genug sein, um in meine Fußstapfen zu treten!“ Wer hat so etwas in der Art noch nie gehört?
Und hat das schon mal jemanden gestört?
Es hört sich doch eigentlich so positiv an, in Fußstapfen treten.
Eigentlich?
Fußstapfen im Tiefschnee vereinfachen einem das Rennen.
Fußspuren im Sand weisen einem die Richtung, ohne den Weg zu kennen.

Aber ist das gut, sich nie die Haare zu raufen,
nicht mal in die falsche Richtung zu laufen,
um zu wissen, wo es besser ist?

Man folgt einem Ideal,
bekommt den Weg vorausgelegt,
muss nicht selbst denken, nicht selbst kämpfen.
Man nimmt den Aufzug nach oben,
nicht die Treppenstufen,
ganz einfach, man nutzt eine andere Kraft.
Dabei sind es doch die Hindernisse, die uns stärker machen.
Die Gefahr, die uns schneller rennen lässt.
Die glühenden Stücke, die ein Feuer entfachen.
Vielleicht fallen wir, aber nur wer fällt,
kann auch wieder aufstehen.
Kann aus Fehlern lernen, anders zu werden.

Denn ist es nicht gut, sich die Haare zu raufen,
mal in die falsche Richtung zu laufen,
um zu wissen, wo es besser ist?

Ich will nicht so sein, wie jemand vor mir,
will nicht nachmachen, was ein anderer erfunden hat.
Ich will nicht durch die geöffnete Tür,
ich will kein beschriebenes Blatt.
Ich möchte auf einzigartige Weise siegen,
möchte neue Dinge in die Welt setzen.
Ich möchte geschlossene Türen entriegeln,
ich möchte volle Seiten zerfetzten
und sie neu beschreiben.

Wozu hab ich ein Gehirn, einen Körper und meine eigenen Füße.
Meine Füße sind vielleicht größer oder kleiner,
wahrscheinlich ein bisschen anders geformt,
vielleicht breiter oder feiner
oder anders als die Norm.
Einfach anders als deine.
Ich passe nicht in deine Fußstapfen.
Sie sind mir zu eng oder zu groß,
ich fülle nicht jede Ecke komplett aus.
Ich würde es nie so schaffen wie du.
Ich bekäme keinen Applaus.

Denn jeder von uns ist einzigartig,
deswegen heißen wir doch Individuum!
Weil der eine ist mehr salzig,
der andere eher pfeffrig.
Weil wir alle unterschiedlich gewürzt sind.

Mir ist das zu einfach,
machen, was du gemacht hast,
entscheiden, wie du entschieden hast.
Ich will nicht dein Leben nochmal leben,
ich will meine eigene Geschichte schreiben.

Und aus ‚ich will‘ wird ‚ich kann‘,
weil ich stark bin, weil ich ich bin.
Und dazu brauche ich deine Fußstapfen nicht.
Vielleicht gehe ich neben ihnen her,
oder unsere Wege kreuzen sich mal,
aber die Entscheidung liegt bei mir,
ich selbst hab mein Steuer, meine Karte in der Hand.

Denn ich finde es gut, sich mal die Haare zu raufen,
mal in die falsche Richtung zu laufen,
um zu sehen, wo es besser ist.

Wenn ich dir nachlaufe, hab ich es nicht alleine geschafft.
Und das lasse ich nicht zu.
Ich will, dass die Leute einmal sagen:
‚Wow, die hat was geleistet.
Die hat gekämpft und sich nicht abbringen lassen,
an der kann man sich ein Beispiel nehmen!‘
Ein Beispiel, ja,
aber keiner soll in meine Fußstapfen treten,
denn das ist mein Weg,
den habe ich erkundet, und ich finde,

es ist gut, sich die Haare zu raufen,
mal in die falsche Richtung zu laufen,
um zu wissen, wo es besser ist.

Es verändert dich,
verwandelt dich,
formt dich,
biegt dich,
und schmiedet dich,
bis du der Mensch bist,
der du sein willst.

Denn am Ende läuft man vielleicht in die richtige Richtung,
und weiß, wo es am besten ist.